23.10.2023 00:00 Alter: 186 days
Kategorie: Aktuelles Heft, Startseite

Egel auf dem Vormarsch

Während der Große Leberegel den meisten Schaf- und Ziegenhaltern ein Begriff ist, breiten sich in den letzten Jahren der weniger bekannte Kleine Leberegel und der Pansenegel immer weiter aus.

Foto: agrarfoto.com

Sowohl der Kleine als auch der Große Leberegel können nicht nur massive Störungen im Leberstoffwechsel sondern auch das Absterben von Lebergewebe verursachen. In Extremfällen kann davon ein Drittel bis zur Hälfte der Leber betroffen sein. Nachdem die Leber eine zentrale Rolle bei den Stoffwechselvorgängen spielt, hat dies große Auswirkungen auf den gesamten Organismus und somit auf die Leistung der Tiere. Das Immunsystem wird geschwächt und die Tiere werden anfälliger für Krankheiten. Besonders bei kleinen Wiederkäuern sind auch Todesfälle bekannt, ausgelöst durch die Larven des Großen Leberegels.

 

Der Große Leberegel

 

Die Entwicklung des Großen Leberegels (Fasciola hepatica) läuft über Schnecken als Zwischenwirt ab. Die Larven wandern aus dem Zwischenwirt aus und bohren sich nach der Aufnahme durch den Endwirt aktiv aus dessen Darm aus. Endwirte können beim Großen sowie beim Kleinen Leberegel Schafe, Ziegen, Rinder, Neuweltkameliden und auch Menschen sein. Anschließend wandern sie durch den Körper, bis sie in die Leber und die Gallengänge gelangen. Durch ihre Bohrgänge im Bauch- aber auch Brustraum verursachen sie zusätzliche Schäden (siehe Foto 2). Der erwachsene Egel ist hellbraun-grau und hat eine flache rhomboidförmige Gestalt. Er wird 2–3 cm lang und 1–2 cm breit, ähnlich einem Lorbeerblatt. Bis zu elf Jahre können Große Leberegel in der Leber überleben. Es vergehen etwa zehn Wochen beim Rind, etwa neun Wochen bei Ziegen und etwa acht Wochen bei Schafen von der Aufnahme der infektiösen Larve bis zur neuerlichen Ausscheidung von Eiern über den Kot.

 

Der Kleine Leberegel

 

In den letzten Jahren beobachten wir in unserer Praxis ein vermehrtes Auftreten des Kleinen Leberegels oder Lanzettegels (Dicrocoelium dentriticum). Dieser Parasit hat einen sehr interessanten Entwicklungszyklus. Aus den vom Endwirt ausgeschiedenen Eiern entwickeln sich die Larven zuerst in Zwergschlammschnecken und dann in Ameisen. Einige der Larven wandern in das Gehirn der Ameise und bewirken eine Verhaltensveränderung. Die befallenen Ameisen kehren am Abend nicht in den Ameisenbau zurück, sondern verbeißen sich an Grasspitzen. Erst am nächsten Vormittag, mit steigenden Temperaturen, löst sich der Beißkrampf wieder. Bis dahin können die infizierten Ameisen von den Endwirten beim Grasen aufgenommen werden. Die Parasiten wandern dann aus dem Darm über Gallenblase und Dünndarm in Leber und Gallengänge. Im adulten Stadium erreichen sie eine Länge von etwa 1 cm und eine Breite von 1–2 mm. Bis zu sechs Jahre können Kleine Leberegel in der Leber parasitieren. Es kommt zu Entzündungen und deutlichen Verdickungen der Gallengänge, was bei der Schlachttier-Fleischuntersuchung eindeutig diagnostizierbar ist (siehe rote Pfeile auf Foto 1). Es dauert etwa sechseinhalb Wochen beim Schaf, siebeneinhalb Wochen bei Ziegen und acht Wochen beim Rind von der Infektion bis zur neuerlichen Ausscheidung der Eier. Diese Zeitspanne kann dann bei den Prophylaxemaßnahmen ausgenutzt werden.

 

Der Pansenegel

 

Seit letztem Jahr können wir den Nachweis vom Pansenegel (Paramphistomum cervi) im Pansen eines Rindes im Zuge der Schlachttier-Fleischuntersuchung auch in unserem Praxisgebiet bestätigen. Der Pansenegel braucht, ähnlich wie der Große Leberegel, eine Schnecke als Zwischenwirt. Die infektionstüchtigen Larven gelangen beim Fressen in den Dünndarm von Haus- und Wildwiederkäuern und Neuweltkameliden. Jedoch sind diese Larven empfindlich gegen Austrocknung und können im Heu nicht überleben. Nach weiteren Entwicklungsschritten wandern die Larven vom Dünndarm in den Pansen zurück. Durch das Anhaften des „Jungegels“ an der Dünndarmschleimhaut kommt es zu Entzündungen. Als Folge wurden je nach Befallstärke blutige Darmentzündungen beschrieben. Die weitere Entwicklung zu den adulten Stadien im Pansen der Tiere verläuft meistens ohne schwerere Krankheitserscheinungen. Außerdem dürfte eine Infektion eine belastbare Immunität (im Gegensatz zum Großen Leberegel) bei infizierten Tieren hinterlassen. In der Literatur sind keine sehr gut wirksamen Medikamente zur Behandlung eines Pansenegelbefalls beschrieben. Daher kommt wieder den Prophylaxemaßnahmen große Bedeutung zu, um die Ausbreitung des Pansenegels zu bremsen. Aus heutiger Sicht können wir die Weiterverbreitung des Pansenegels nur beobachten, befürchten aber keine dramatischen wirtschaftlichen Folgen. Durch den Großen- und Kleinen Leberegel erwarten wir in unserem Praxisgebiet weiterhin deutliche wirtschaftliche Verluste bei Schafen, Ziegen und Rindern.

 

Wie man eine Leberegelinfektion nachweisen kann, wann der optimale Behandlungszeitpunkt ist und welche Prophylaxemaßnahmen es gibt, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe! Hier gratis Probeheft bestellen